Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres
Ein großartiger Plot und ein wundervolles Szenario das dieser kleine kurze Roman entwickelt. Der Patriarch kommt verspätet von der Dienstreise nach Hause, das eigens für ihn vorbereitete Muschelessen gammelt stundenlang vor sich hin. Schrittweise entpuppt sich auch die brutale Autorität des Tyrannen, die plötzlich schwankt, weil die restliche Familie die eingefahrenen erstarrten Verhaltensmuster der Familie genau an diesem Tag nicht abrufen kann und damit Zeit und auch Raum bleibt, sich einmal ohne den psychischen und physichen Missbrauch des Vaters mit neuen subversiven Gedanken zu beschäftigen.
Das ganze Setting wird sehr authentisch aus der Sicht der Tochter erzählt, wodurch der Schreibstil anfangs ein bisschen mühsam und nervig ist mit den sprachlichen Redundanzen, diese sind aber nicht im Plot sondern kommen in den Sätzen vor. Das junge Mädchen wiederholt und bekräftigt in Bandwurmsätzen ständig ihre eigenen Aussagen, um sich selbst auch zu versichern. Irgendwann hatte ich mich aber daran gewöhnt, und die plappernde und teilweise panische Erzählweise des geschundenen Kindes entwickelte einen Sog, dem auch ich mich nicht entziehen konnte.
... mein Bruder ist auch nicht so gefräßig gewesen, sondern sanft, was aber mein Vater jämmerlich fand, seine dauernde Niedlichkeit hat meinen Vater gegen ihn aufgebracht, während er sie bei mir sehr vermisst hat, weshalb es in unserer Familie immer geheißen hat, ich bekomme, so uncharmant, wie ich bin keinen Mann, während es geheißen hat, so mädchenhaft, wie mein Bruder ist, das ist alles andere als normal, ...
Der Schluss ist grandios. Der Patriarch wird in Abwesenheit ohne ein einziges böses Wort abmontiert und sehr subtil gestürzt.
Fazit: Stilistisch ungewöhnlich, aber authentisch erzählt und lesenswert. Eine sehr gute, tiefe und hintergründig gestaltete Geschichte, wie sich ein Familiensystem gemeinsam und jeder einzeln nach langer Qual gegen einen Tyrannen auflehnen kann.