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awogfli

Awogfli - Bookcroc

Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres

Ein großartiger Zamonienroman über Bücher - mit ein paar Längen

Die Stadt der Träumenden Bücher  - Walter Moers, Dirk Bach

So nun habe ich zweieinhalb Jahre lang dieses Hörbuch ausschließlich auf längeren Autofahrten genossen und muss sagen, es war teilweise genial, zwar annähernd aber doch nicht ganz von der Qualität eines Käpt'n Blaubär. Warum ich die Art der Rezeption hier in die Rezension hineinnehme, ist leicht erklärt: Ich stelle die These auf, dass erstens beim Hörbuch Szenen, die nicht ganz so spannend sind, weit mehr negativ ins Gewicht einer Beurteilung fallen und weiters mein Vortasten Stück für Stück und nicht in einem Rutsch sich sicher auch eher kritischer auf meine Meinung zu diesem Werk ausgewirkt haben.

Grundsätzlich erschafft Walter Moers ein wundervolles zamonisches Universum in Buchhain, in dem sich alles um Bücher dreht. Dabei nimmt er sowohl bestimmte reale Autoren, als auch den Buchbetrieb - vor allem in Frankfurt - sehr gekonnt und witzig auf die Schippe, um gleichzeitig aber auch eine einzigartige Fantasywelt zu erschaffen, in der sich Haifischmaden, Buchlinge, Buchjäger, Buchparfümeure, Drachen, ein Homuculus geschaffen aus Büchern und Papier und viele andere herumtreiben. Etwa in der giftigen Gasse gibt es  gedungene Literaturkritiker, die aus Ecken hervorhüpfen und TotalVerrissssse anbieten (da hat man gleich den Reich-Ranicki im Kopf :D), aus dem Viertel der Lektoren dringen Flüche und Verzweiflungsschreie. Hier muss ich gleich anmerken, dass dieses Hörbuch noch vom verstorbenen Dirk Bach wundervoll interpretiert und vorgelesen wird.  

In der Story macht sich der Drache Hildegunst von Mythenmetz von der Lindwurmfeste auf den Weg nach Buchhain, um einen unbekannten Autor zu finden, der ein geniales Manuskript verfasst hat. Dort trifft er auf den Antagonisten, die Haifischmade Themistopheles Smike, dessen verdorbenen Verwandten man ja schon vom Käptain Blaubär kennt. Dieser will die hohe Kunst der Literatur zu Gunsten von mittelmäßigem Kommerz abschaffen und Künstler vernichten - Allmachtsfantasien & Größenwahn par excellence -erinnert sehr frappant an geldgeile Verlagsdirektoren.

Neben Längen in mehreren Kapiteln bei einem Konzert und vor allem als Hildegunst durch die Katakomben von Buchhain irrt, gibt es andererseits unerreicht einzigartige innovative wundervolle Ideen und geniale Konversationen:  

Buchlinge ernähren sich vom Lesen. Trivialliteratur macht nicht satt wie Fast Food - Romane machen fett - mit Lyrik kann man eine Diät starten und Totalverrisse hinterlassen einen schalen Nachgeschmack :D

"Bücher erschaffen kannst Du noch nicht, aber umbringen kannst Du sie schon, bist Du sicher, dass Du nicht lieber Kritiker werden möchtest?

oder die Anspielung auf Zettel's Traum von Arno Schmidt:
"Das Buch ist so schwer, alleine vom Umblättern kannst Du einen Muskelkater kriegen. Niemals ist ein Buch hergestellt worden, das sich sehr gegen jeden Gebrauch sträubt, es nicht nur schwer zu tragen sondern auch extrem schwer zu lesen […]. Niemand versteht das - zu diesem Zweck ist es geschrieben worden. Das finde ich arrogant man sollte schreiben, um gelesen zu werden."

Alles endet in einem grandiosen Finale - einem Happy End - in dem die Haifischmade vernichtet wird und das ORM (Literarische Kreativität und Genialität) den Sieg über den Kommerz und das Mittelmaß davonträgt.

Fazit: Absolute Empfehlung von mir für Kinder genauso wie für Erwachsene.