Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres
Eva Rossmann, Krimiautorin und Teilzeitköchin im Gasthaus Manfred Buchingers zur alten Schule im Weinviertel http://www.buchingers.at/ hat sich Anthony Bourdain zum Vorbild genommen und ist angetreten, Hintergrundgschichtln „aus der Küche“ zu erzählen.
Dieses sehr ambitionierte Vorhaben hat mehrere kapitale Denkfehler. Erstens war Frau Rossmann so gut wie nie in einer anderen Küche angestellt und das merkt man. Zweitens wird sie als gute Freundin des Chefs mit Glacéhandschuhen angefasst und kann gar nichts über den Stress bzw. den üblichen Umgang miteinander in der Küche sagen. Drittens ist natürlich das kleine familiäre Gasthaus im Weinviertel per se schon ein Musterbetrieb, wie man wertschätzend mit dem Gastgewerbepersonal umgeht, quasi einer der wenigen funkelnden Diamanten in einem Meer an schlechten Beispielen. Das wäre nun gar kein Beinbruch, wenn sie zu Beginn des Buches nicht so atemberaubend verallgemeinern würde, tatsächlich zu wissen, wie es in „der Küche“ zugeht.
"Aber man muss dafür [die Küche] wohl wirklich etwas verrückt sein, ein Freak, andere machen Bungee-Jumping. Ich krieg die Höhen und Tiefen, den Speed und den Kick ganz ohne Gummiseil."
Ein Mensch, der nie in mehreren Küchen den Stress auf Saison, die schlechte Behandlung von jugendlichen Lehrlingen, den Sexismus gegen Frauen und die teilweise extrem schlechte Behandlung von Ausländern (wenn man selbst im Ausland arbeitet ist man ja auch Ausländer) und im Gegenzug natürlich auch die daraus resultierenden todesverachtenden Galgenhumor-Gegenreaktionen der Mitarbeiter erlebt hat, kann einfach nicht sagen, wie es in der Küche üblicherweise zugeht, sondern nur wie es sich im geschützten Biotop des Weinviertels verhält.
Nach einem Drittel des Buches relativiert Frau Rossmann zwar ihre Aussagen, gibt zu, dass sie als gute Freundin des Chefs doch tatsächlich anders behandelt wird, sie versteigt sich aber sofort wieder in Verallgemeinerungen bei der Typisierung des Servierpersonals. Als Hotelfachschulabsolventin, die viele Küchen- und Servicejobs sowohl in Österreich als auch in der Schweiz als junge Frau absolviert hat, die sich auch noch vier Saisonen ihr Geld für das Studium im Ausland verdiente, kann ich durch meine Erfahrung hier wirklich einiges dazu beitragen. Solche grundlegenden Prototypen einer Servierkraft habe ich eigentlich noch nie getroffen und ich kann auch kaum einen meiner über die Jahre angesammelten mehr als 50 Kollegen, mit denen ich intensiv zusammenarbeitete, hier eindeutig zuordnen. So spiegelt Rossmanns Typisierung eben wieder nur das Buchinger‘sche Miniversum und nicht „das Servierpersonal“, das sie pauschalisierend so gern beurteilt.
Gelegentlich gibt es durchaus realistische Geschichten und funkelnde Highlights, wenn die Autorin nämlich konkret über Manfred Buchingers Kampf mit der österreichischen Bürokratie der Tourismusverbände, die Verwaltungsarbeit als Koch & Restaurantinhaber, um in irgendwelchen Restaurantguides gelistet zu werden, oder auch das wirklich gute wertschätzendes Kapitel über den syrischen Flüchtling mit Sprachproblemen schreibt. Das hat mir ausnehmend gut gefallen.
Und plötzlich verursacht Rossmann schon wieder einen derart kapitalen ignoranten Schnitzer, dass mir sprichwörtlich die Spucke wegblieb. Galloway wird nach ihrer Diktion von manchen Gästen italienisch wie [tschallo = gelb] ausgesprochen. Ich weiß ja nicht, welche Sprache sie da meint, aber italienisch ist diese Aussprache auf keinen Fall, denn Gallo spricht man in Italienisch auch genauso aus wie bei uns [gallo = Hahn]. Was sie meint, würde man Gialloway schreiben – ein völlig anderes Wort. Da reiht sie sich bedauerlicherweise in die Riege der unzähligen ignoranten Dummköpfe ein, die keinen Respekt vor der italienischen Sprache zeigen und alles verballhornen. Jene, die nach [Tschaorle] zum Baden fahren und [Raditschio und Gnotschi] servieren. Der österreichische Spitzenkoch Johann Lafer ist leider auch so ein Exemplar, das mich regelmäßig zur Weißglut treibt. Korrekter wertschätzender Umgang mit der italienischen Sprache ist nämlich wirklich kinderleicht: So simpel ist die Regel: „[tsch] nur wenn i und e danach, es sei denn, es ist ein h dazwischen".
Rossmanns leidenschaftliches Plädoyer im Kapitel Fad-Food - die Autorin meint quasi das immer gleiche fade Essen der Luxuskategorie wie Trüffeln, Gänsestopfleber … - und alle sinnlosen Modeerscheinungen dieser Kategorie liebe ich hingegen wieder sehr. Die Autorin fordert mehr Innovation, Regionalität, purer Geschmack, Abwechslung und Mut zu ungewöhnlichen Kombinationen. Da bin ich ganz ihrer Meinung. Gottseidank ist dieser Trend jetzt endlich auch bei uns im Vormarsch. Ich hab persönlich erst vor zwei Wochen in Wien eine asiatische Muschelnudelsuppe mit Schweinebauch & Grammeln gegessen - es war herrlich!
Auch die anschließenden konkreten Geschichten über Gäste im Weinviertel und der typische Arbeitsalltag von Manfred Buchinger sind ganz gut aus dem Leben des Restaurants gegriffen.
Fazit: Ein mehr schlechtes als rechtes Werk mit ein paar Highlights. Wenn Rossmann in diesem Buch nicht derart klotzen, und ihre doch sehr beschränkten Weisheiten nicht als allgemeingültiges Dogma verkaufen, sondern sich einfach eingestehen würde, dass sie ein Buch über den Mikrokosmos Buchinger schreibt, hätte ich mich weit weniger geärgert und die Geschichten wesentlich besser beurteilt. An ihr angestrebtes Buch-Vorbild von Anthony Bourdain – Geständnisse eines Küchenchefs - kommt sie nicht mal annähernd heran. „Also, Frau Köchin:- Bleiben Sie bei Ihren Leisten und schreiben ehrlich über das Restaurant im Weinviertel, denn das können Sie, aber definitiv nicht über die Küche im Allgemeinen.“