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awogfli

Awogfli - Bookcroc

Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres

Großartiger Inhalt, der ob der stilistischen Mängel schlecht vermittelt wird

Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften - Hans-Henning Scharsach

Ich stelle hiermit das <b>Fazit </b> für dieses Buch erstmals gleich voran: Inhalt großartig und von einer investigativen Kraft: 5 Sterne - Stil furchtbar - eine sehr unstrukturierte Analyse inklusive Aufzählungswüste gespickt mit Wiederholungen: 1 Stern - ergibt in Summe 3 Sterne.

Warum ist mir eigentlich bei den alten Haider-Büchern vom Herrn Scharsach dieser Stil nicht aufgefallen? Die habe ich nämlich damals uneingeschränkt geschätzt. Ist der Autor schlechter geworden, oder habe ich damals ob des Umstandes, dass er als erster Journalist sich dieses Themas angenommen hat, auf Grund des Innovationsfaktors einfach darüber hinweggeschaut?

Aber nun zu den Details meiner stilistischen Ärgerfaktoren. Das Sachbuch beginnt schon mal mit den unzähligen Aufzählungen der Burschenschaften und ihrer Untergruppierungen, die bei jedem erwähnten Namen eines Politikers komplett inflationär, unübersichtlich und verwirrend dabeistehen (wer war wo bei welchem Ableger unzähliger schlagender Verbindungen). Diese prasseln hintereinander auf den Leser in einer zu großen Fülle ein. Das ist langweilig und kann sich keiner merken. So ein Infowust gehört strukturiert, vereinfacht und die Details in den Anhang gesteckt. Ich bin ja auch der Meinung, dass die Zugehörigkeit von Politikern zu den Burschenschaften und die Verflechtungen der Burschenschaftsnetzwerke unbedingt aufgedeckt werden sollen, aber hat vielleicht Herr Scharsach schon mal was von einer Grafik gehört? Die würde nämlich dieses Gewimmel (ja die Analogie zu einem Kinderwimmelbild ist korrekt) - sofern sie gut gezeichnet ist - übersichtlich und verständlich strukturieren. Wer hat eigentlich Sachbuchautoren verboten, Organigramme in ihren Inhalt aufzunehmen?

So geht es leider munter weiter im Kapitel Fakenews und Hasspostings wird mehr als eine ganze Seite der Hassbotschaften einzeln im Batch-Verfahren heruntergebetet. Echt jetzt? Schon nach 6-7 Zeilen kann sich jeder Leser genau vorstellen, wie schlimm diese sind, und dann nervt eben so eine Aufzählung nur mehr.  Auch im Rahmen der Medienverflechtungen der FPÖ und Burschenschafts-Online Medien hätte eine Grafik etwas Sinn, Licht und Überblick in das dunkle Gewimmel der Aufzählungen des Autors gebracht.

Wenn ich das Gesamte Sachbuch als wissenschaftliche Arbeit bewerten müsste, würde ich dringend empfehlen, die Datenwüste, mit der der Leser in der Analyse permanent konfrontiert wird, in den Anhang der Arbeit zu verlegen. In der Analyse hat so etwas wenig - also wirklich nur beispielhaft in homöopathischen Dosen - bis gar nichts verloren. Lediglich die umfangreichen Quellenangaben, die heutzutage in so einem Buch unabdinglich sind, würde ich sehr positiv bewerten.   

Auch im Aufbau des gesamten Buches hätte ich mir mehr roten Faden, und logische Struktur erwartet. Da wird von strukturellen Überblicksanalysen der Burschenschaftsverflechtungen nach Detailbiografien von Politikern und wieder zurück gesprungen, unterbrochen von einem Nationalsozialismus- und Frauenkapitel, dann zu den Medien und wieder zu Einzelbiografien. Versteht mich nicht falsch, alle Inhalte sind sehr wichtig und kein einziges Kapitel ist entbehrlich aber die Anordnung ist einfach unlogisch und verwirrend. Durch den fehlenden Aufbau kommt es natürlich auch vom Autor ungewollt zu Wiederholungen von Sachverhalten, was ich gar nicht leiden kann.

Am ärgerlichsten an diesem Sachbuch ist aber der Umstand, dass der Autor seine selbst gesteckten Ziele nicht erreichen und die Zielgruppe, die er selbst in seinem Nachwort beschreibt, einfach nicht ansprechen wird. Das Werk ist einfach ob der stilistischen Mängel viel zu mühsam zu lesen, als dass sich so etwas jemand antun würde, der von diesen Ideen verführt werden könnte. Dabei wäre es so extrem wichtig, diese großartig recherchierten Fakten von Scharsach mit Quellenbelegen (also eindeutig als Fakten belegt statt Fakes) an diese Zielgruppe zu bringen. Meiner Meinung nach ist es sehr schade um diese verschwendete gute Arbeit - die Präsentation zerstört hier leider den Inhalt und den Zweck des Werkes.