Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres
Eigentlich sind die 3 Sterne, die ich für dieses Buch vergebe, ungerecht und ich müsste von 3,5 auf 4 aufrunden, aber was solls, dies sind meine Beurteilungen und da darf ich auch mal ungerecht sein.
Marlen Haushofer ist ein ausgezeichnetes pointiertes Psychogramm einer unsicheren depressiven Frau gelungen, ich habe selten eine so unsymphatische weibliche Hauptfigur skiziert bekommen, was meine Beurteilung prinzipiell noch nicht beeinträchtigt hätte, aber sie ist ja nicht nur keine angenehme Person, sondern sie langweilt mich extrem durch ihren faden Charakter. Hab letzte Woche von den Finnen gehört, dass diese ihre Winterdepression stolz zelebrieren, sie öffentlich vor sich hertragen und hegen & pflegen - diese Tusse, genannt Anette, macht das ganzjährig, nahezu lebenslänglich, so wie viele Wiener im allgemeinen auch. Die Leute tun mir zwar leid, tatsächlich nerven und langweilen sie aber mit ihrem permanenten Gesudere im Buch genauso wie real. Da bin ich streng, denn das erste GEBOT, das ich einem Autor vorschreibe, ist gleich einem Glaubensbekenntnis: DU SOLLST NICHT LANGWEILEN. Das gilt nicht nur für die Erzählweise, sondern auch für die Figuren.
Klar kommen dann noch die sehr gut beschriebenen durch die Depression verursachten Eigenschaften des Phlegmas, Misanthropie und ein bisschen von latent bis offen auftretender Männerhass dazu, da sich die Dame permanent als inaktives der Umwelt ausgeliefertes OPFA sieht, was mich manchmal durch die guten Formulierungen schon ein bisschen amüsiert hat.
"Die Vorstellung, dass all diese ernsthaften, dezent gekleideten Männer manchmal ihre Kleider ablegen und, bleich wie Kartoffeltriebe, darangehen, sich eine Stunde mit Liebe zu beschäftigen, hat etwas Obszönes und Lächerlichers an sich. Man kann eben nicht ungestraft durch Generationen das Fleisch verachten und mit dem Hirn allein leben. Eines Tages rächt sich das Fleisch.
Persönliche Grausamkeit und Bosheit, wie man sie bei Frauen findet, kann ich zur Not verstehen, aber die männliche Grausamkeit aus Gedankenlosigkeit und Kontaktunfähigkeit macht mir Angst."
Als dann der Märchenprinz am Horizont auftaucht, ist die Depression schwupdiwupp verpufft - um dann kurze Zeit später mit Beziehungszweifeln erneut gnadenlos zurückzuschlagen. Man wünscht sich das ganze Buch über, dass Anette endlich wirklich etwas furchtbares passieren möge, damit sie schließlich einen Grund für ihr Jammern hat, aber als dies endlich auf den letzten Seiten passiert und sie durch das echte Leid tatsächlich eine Katharsis und Metamorphose durchlebt, wurde einfach viel zu viel meiner Lesezeit unnötig mit Langeweile vergeudet.
Versteht mich nicht falsch, eine Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit, über die ich mich nicht lustig machen möchte, aber manche Leute in der Realität wie auch die Hauptfigur und auch das Buch zelebrieren diese und gehen mit dem Gejeiere ganz bewußt ihrer Umgebung und den Mitmenschen auf die Nerven, anstatt professionelle Hilfe zu bezahlen. Dann möchte ich in der Realität immer pro 50 Minuten, in denen ich dieses Gesudere gratis durchstehen mußte und als Therapeut missbraucht wurde, die Hand ausstrecken und eine Rechnung über 75,-- Euro ausstellen.
So geht es mir bei diesem Buch auch. Ich möchte entweder meine Lesezeit zurück oder Therapeutenhonorar!
Fazit: Kein Buch für mich - eine gute Charakterstudie, aber kein Charakter, über den ich wirklich was lesen möchte.