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awogfli

Awogfli - Bookcroc

Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres

Unglaubwürdiges Psychogram eines Autors über eine Frau

Das Vermächtnis der Eszter - Sándor Márai, Christina Viragh

Selten klappte ich ein Buch mit derartigem verblüfften heiligen Zorn zu wie dieses, denn alle inneren Antriebe der Hauptprotagonistin zu ihren völlig wahnwitzigen selbstzerstörerischen Handlungen sind so unglaubwürdig und wurden mir einfach vom Autor überhaupt nicht erklärt. Da hilft es auch nichts, dass das Buch von einem Schriftsteller aus einer anderen Zeit und Generation vor der Emanzipation stammt, in der die Frauen allesamt noch gefügige arme Hascherln warn, aber so dämlich, sich wie ein Lemming ohne Zwangslage freiwillig von einer Klippe zu stürzen, das brachten nicht mal die naivdümmsten Vorkriegsfrauen zustande.

Aber nochmals zurück zur Ausgangslage: Das Buch beginnt eigentlich in gewohnter Marai Qualität als wortgewaltiges Psychogram des Schlawiners, Strizzis, Pülchers, Falotten (ui da poppt das österreichisch/ungarische Synonymwörterbuch in meinem Schädl automatisch auf) Lajos, geschrieben von jener Frau Eszter, die er am meisten um ihr Leben und ihr halbes Vermögen beschissen hat. Als sich Lajos zu Besuch ansagt, will er von ihr auch noch den kümmerlichen Rest ihrer Existenz und sie überschreibt ihm ihr Haus, um fortan ihr Leben im Armenhaus zu fristen.

So weit so gut - die Schuldgefühle und die Tränendrüse auf die der Schwindler wortreich, eloquent, übergriffig, manipulierend und mit gewiefter emotionaler Erpressung drückt, sind ja durchaus nachvollziehbar und gut beschrieben. Aber warum Esther auf die Forderungen eingeht, erschließt sich mir nicht. Offenbar versteht es jeder, die Hausdame, der Familienanwalt, Sandor Marai - nur der Leser bleibt kopfschüttelnd und völlig ahnungslos zurück. Nun wäre es nicht so verwerflich, wenn Marai das Buch aus männlicher Perspektive geschrieben hätte, dann könnte man noch sagen, so stellt sich der kleine Sandor völlig unrealistisch und hirnverbrannt die unterwürfigen dummen Weiber vor (dies tat auch schon mal Murakami und wurde von mir deshalb besser bewertet), aber das Buch auch noch quasi aus der Frauenperspektive herauszuschreiben, ist tatsächlich ein verdammtes Sakrileg. Marai macht sich ja nicht mal die Mühe, uns schlüssig zu erklären, was die Meinungsänderung von Esther wirklich verursacht hat. So quasi - sie ist eine Frau - deshalb muss sie sich naiv dumm opfern. Punkt.

Da fühle ich mich als Mensch und als weibliches Wesen übelst beleidigt, und müsste Marai dringend empfehlen (sofern er noch leben würde), dass er über Sachen schreiben sollte, von denen er was versteht, aber auf keinen Fall über Frauen. In die Haut alternder Männer konnte er gut hineinschlüpfen über Frauen hätte er nie schreiben dürfen, dafür war er zu respektlos und präpotent-dämlich.

Selbst wenn ich ein armes weibliches Hascherl vor 1914 gewesen wäre, die noch nie was von feministischen Ideen gehört und nie aufgemuckt hätte, hätte ich mich nach damaligen Maßstäben gemansplaint gefühlt und auf diesen Roman ordentlich gespuckt.

Ach ja Stern 2 gibt es für die Form und Sprache, denn schreiben kann er ja der Herr Marai.