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awogfli

Awogfli - Bookcroc

Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres

Savannah und seine Einwohner unter dem Brennglas

Mitternacht im Garten von Gut und Böse ( 1997 ) - John Berendt

Ein wunderbares Sittenbild der Ober- und Mittelschicht von Savannah. Mammamia John Berendt kann erzählen, detailreich und bildhaft, aber nicht übertrieben skizziert er punktgenau das verschlafene Städtchen. Die unzähligen Charaktäre der Stadt sind treffend mit spitzer Feder und tiefgründig beschrieben, die Häuser, das Interieur und die schöne Stadt sieht der Leser buchstäblich vor seinen Augen.

 

"...und Augen die so schwarz waren, dass sie wie die getönten Scheiben einer eleganten Limousine wirkten - er konnte hinaussehen, aber niemand hineinsehen."

 

"An Adeligen ist nur all das aristrokratische Zierwerk erstrebenswert, all die Dinge, die verkauft werden, wenn das Geld knapp wird. Und das ist immer irgendwann der Fall. Übrig bleiben ihnen nur die reizenden Umgangsformen."

 

"Wenn Du nach Atlanta kommst, fragt man Dich zuerst, womit Du Dein Geld verdienst, in Macon, in welche Kirche Du gehst, in Augusta fragen sie nach dem Mädchennamen Deiner Großmutter. In Savannah jedoch lautet die erste Frage: "Was möchten sie gerne trinken."

 

Auch geizt der Autor nicht mit atemberaubend irren Ideen z.B. betäubt ein verhinderter Erfinder Fliegen, klebt ihnen Fäden an und geht mit ihnen spazieren.

Tragische Hauptfigur des Romans ist der reiche homosexuelle Emporkömmling Jim Williams, der einen jungen gewaltätigen "Mitarbeiter" erschießt. Im folgenden Prozess wetzen der ihm spinnefeind gesinnte Uperclass Gegenspieler mit altem Geld und der gekaufte Staatsanwalt die Messer. War es Mord oder Totschlag oder Notwehr? Viele Lügen auf beiden Seiten werden nach und nach in einer regelrechten Prozesslawine quer durch die Instanzen aufgedeckt. In den vielen Nebenhandlungssträngen gibt es außerordentlich liebevoll gezeichnete zahlreiche kuriose Figuren, sodass der Leser bald überzeugt ist, zumindest die Innenstadt von Savannah und ihr gesellschaftliches Leben genau zu kennen.

 

Einen Stern ziehe ich ab, denn der Fokus des Romans zielt mir allzusehr detailverliebt auf Beschreibung und Figurenaufbau, denn auf Handlung und ich kann die amerikanische Overschicht ums Verrecken nicht leiden :-)

 

Fazit: Hervorragender Roman, bildgewaltig mit der Wucht eines Vorschlaghammers, der mir um eine Nuance zu sehr die Handlung und die Aussage vernachlässigt hat.