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awogfli

Awogfli - Bookcroc

Ich bin Buchgourmet und Buchgourmand quer durch viele Genres

Erzähltechnisch mühsames und krampfhaftes Wimmelbild einer Insel

Die Frauen von Andros : Roman - Ioanna Karystiani, Norbert Hauser

Meinen Beitrag zur EU-Autorinnenchallenge für Griechenland fand ich ordentlich durchwachsen und eigentlich unterdurchschnittlich. Dies liegt auf jeden Fall hauptsächlich an der mühsamen Erzählweise der Autorin, die sich auch im Laufe des gesamten Romans nicht verbessert hat, aber auch an anderen Faktoren.

 

Gleich einem Wimmelbild wird durch vorhandene Namensgleichheiten in den Familien, episch breitem Auswalzen von allen Figurenbeziehungen auf dieser kleinen Insel und am Festland und absichtlicher Stiftung von Verwirrrung durch die unterschiedliche und nicht eindeutige einheitliche Benennung von denselben Protagonisten mit mehreren Namen, der Plot absichtlich total konfus gestaltet. Das gibt es ja nun auch bei anderen "anspruchsvollen" Romanen wie Hundert Jahre Einasmkeit von Gabriel Garcia Marques oder bei David Gutersons Schnee der auf Zedern fällt, aber in diesen sehr guten Werken hat man zwischen Seite 100- 150 dann alle Figuren identifiziert und kann sich auf die Handlung konzentrieren. Nicht so bei dieser Geschichte, bei der man meinen könnte, auf dieser kleinen griechischen Insel hat man bald alle kennengelernt. Nichts da, bis zum Schluss der Geschichte werden die wenigen Männer und Freundinnen abwechslend mit Ihren Vornamen und Famliiennamen bezeichnet und da es in den Familien immer Dupletten (sowohl beim Familiennamen als auch beim Vornamen) gibt, die auch zusammen in Szenen spielen, weiß man wirklich oft nicht, wer gemeint ist. Zudem wird permanent in den Zeiten vor und zurückgesprungen, und unzählige für die Geschichte nicht relevante Figuren unterm Teppich hervorgeholt. Was soll der Blödsinn - Lerserquälung?

 

Dann stotzt der Roman auch noch vor dummen, eigentlich fremdenfeindlichen rassistischen Klischees. Der Haushaltsvorstand Mina ist der Achetyp einer Ponti (pontischen Griechin): geschäftstüchtig, geldgierig, eiskalt, berechnend, ohne Gefühl für ihre Kinder. Diese negativen Eigenschaften werden der pontischen Bevölkerung, die um 1917 aus der Türkei nach Griechenland flüchten musste, um dem Genozid an Nicht-Muslimen zu entgehen, angedichtet, da sie wie die meisten Flüchtlinge nicht willkommen waren.

 

Naa... gecheckt in welche Richtung das mit den volkstypischen Eigenschaften läuft? Da kann ich mir ja gleich einen Roman reinziehen, in dem allen Juden (insbesondere die geflüchteten Ostjuden, die ja den Antisemitismus vor allem in Österreich ausgelöst haben) genau dieselben Eigenschaften zugeschrieben werden, oder einen anderen, in dem die heutigen Syrer alle als Vergewatiger diffamiert werden.

 

Inhaltlich tut sich zwar ein singulärer dramatischer Konfikt auf, die böse pontische Mutter hat die jüngere Schwester mit dem Schwarm der Älteren verheiratet, und die Ältere an einen finanziell potenteren Gatten verschachert. Ansonsten passiert aber nicht viel, und die Handlung zieht sich wie ein blinder Regenwurm. Die Frauen warten auf ihre Seefahrer-Männer, die nur alle zwei Jahre aus der großen weiten Welt für drei Monate auftauchen und sie offensichtlich immer erfolgreich befruchten. Die Ehefrauen machen ihr Ding, was auf einer kleinen Insel nicht sehr viel ist: wie Musikabende geben, Freundschaften pflegen, rauchen und die Kinder relativ friktionsfrei erziehen. Erst als alle Männer infolge der Vorbereitung zum zweiten Weltkrieg mal gleichzeitig zu Hause sind, kommt es nach Jahren - die Schwestern sind nun fast vierzig Jahre alt - zum großen Drama um den einen Mann, in den beide Schwestern verliebt sind. Das war mir einfach zu wenig Geschichte, denn auch im gravierenden Konflikt agieren die Schwestern langweilig. Eine redet nicht mit der anderen und die andere versucht sich zu Tode zu hungern, was ihr auch nur gähnend langsam gelingt. Was für dramatische Versager, nicht mal Streit und Suizid funktionieren spektakulär.

 

Was mir schon ein bisschen gefallen hat, war die Zeichnung der Inselgesellschaft und des Ambientes durch die Autorin. Man lernt alle Mitglieder der Gemeinsschaft kennen mit ihren leider sehr langweiligen Macken und bedauerlicherweise unspektakulär kleinen Problemchen. Spannend war auch die Rolle, die die Syphilis in den Seefahrerfamilien spielte, und die als klassisches Schicksal sowohl der Frauen als auch der Kinder dargestellt wurde, da die Herrn Kapitäne und Matrosen ja immer in den Häfen die Nutten frequentierten und wenige eine normale Frau anrührten.

 

Fazit: Wenn der Roman erzähltechnisch nicht so mühsam gewesen wäre, hätte ich sicher auf 3 Sterne aufgerundet, aber beim Zusammenzählen aller Plus- und Minuspunkte ergibt sich für mich bedauerlicherweise nur eine gute Zwei.